Historisches

 

Der Wunsch, durch Apparate Wunden zu nähen oder zu heilen und dadurch unabhängig vom Geschick des einzelnen Chirurgen gute Heilungsergebnisse zu erzielen, ist wahrscheinlich uralt. Wir wissen, dass bereits im historischen Ägypten 2000 v.Chr. Ameisen genutzt wurden, um Wunden mit ihren Beisszangen zusammenzuhalten.Die Körper der Ameisen wurden dann abgetrennt, der verbleibende Kopf mit den Beisszangen wird häufig als die erste in der Heilpraxis eingesetzte "Wundklammer" bezeichnet.

Ameisen-Kiefer als  Wundklammern

Die erste ernsthafte Methode, Darmanteile ohne Naht zu vereinigen, geht auf Benjamin Murphy zurück, den Erfinder des sogenannten Murphy-Buttons. Diese erste instrumentell gestützte Darmnahtmethode ist gleichzeitig auch die prinzipiell modernste, die in den 60-er Jahren von russischen Ingenieuren mit den AKA-2 und AKA-4  Instrumenten wiederaufgegriffen wurde und die in den 2010-er Jahren eine zweite Renaissance zur Zeit durch die Nitinol-Ringe aus Israel erlebt.

John Benjamin Murphy             Murphy-Button

1857-1916

Der Nahtapparat nach Florian Hahn war abgeleitet aus den damals üblichen Darmklemmen und darf als erster näherungweise tauglicher Protoyp eines Nahtinstruments für den Magen-Darm-Trakt angesehen werden.

Vor seinem Einsatz wurde zuerst der Magen eröffnet, danach wurde der mit Nadel und Fadenrolle armierte Darmklemmen-Nähapparat aufgesetzt, der sich durch Drehen der Kurbel auf der Klemme bewegte, ahnlich einer Haushaltsnähmaschine. Das zu nähende Organ wurde mit einem Kettenstich gesteppt. Recht früh wurde seinerzeit als problematisch angesprochen, dass der Magen zuerst eröffnet werden musste und dass der Fadenzudem nicht gut genug gesichert war. Ausserdem stockte die Naht, sobald sich die Kurbel rückwärts drehte. Relativ schnell wurde behauptet, das Instrument funtioniere nur bei seinem Erfinder.

Der Hahn´sche Apparat

Das erste mechanische Klammernahtinstrument wurde von Hümer Hültl aus Budapest zusammen mit dem deutschstämmigen Uhrmacher und Instrumentenbauer Viktor Fischer ent-wickelt und 1908 eingeführt.

Hültl war Chefarzt im St.Stephans-Hospital und später im St. Rochus Hospital in Budapest, wo auch Ignaz Semmelweis arbeitete. In dieser Zusammenarbeit liegt möglicherweise auch eine Triebfeder zur Entwicklung einer chirurgischen Nahtmaschine, da die Bedeutung der Antisepsis und der kontaminationsfreinen oder -armen Abdominalchirurgie in dieser Epoche immer deutlicher erkannt wurde. Das Verhindern einer Kontamination der Bauchhöhle bei Magen- und Darmoperationen war damals wie heute ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Die erste Operation mit dem neuen Instrument durch Hültl selbst erfolgte 1908 bei einer Magenoperation, ein Jahr später erfolgte die Erteilung eines europäischen Patentes und 1910 die Erteilung eines amerikanischen Patentes.

Die Weiterentwicklung des Hültl-Fischer Apparates stammt von Aladar von Petz aus Györ/Ungarn. 1921 stellte von Petz dieses Instrument erstmals in Budapest vor. Es setzte zwei Klammernahtreihen aus Neusilber. Zwischen diesen Klammernähten konnte dann der Magen aufgeschnitten werden, ohne dass die Verdauungssäfte in den Bauchraum flossen.

Sehr schnell wurde diese Instrument auf der ganzen Welt eingeführt, der Begriff "Petzen" wurde ein Synonym für den Vorgang des Verschlusses eines Hohlorgans durch den Petz-Apparat und fand Eingang in die gängige Fachliteratur (Beispiel). Anfangs erfolgte die Produktion in Ungarn, 1921 übernahmen die Tuttlinger Jetter & Scherer Werke (die späteren Aesculap-Werke) das Patent und die weltweite Produktion. Sogar heute noch wird der Petz-Apparat vereinzelt genutzt und von kleineren Medizintechnischen Firmen produziert und vertrieben.

Besonders amüsant ist die Anekdote, die vom Zusammentreffen von Hümer Hültl und Aladar von Petz am 21. September 1921 auf dem 8. Kongress der Ungarischen Gesellschaft für Chirurgie in Budapest erzählt wird:

Nachdem der junge von Petz in seinem Vortrag das neue Instrument vorgestellt hatte und in der darauf folgenden Diskussion sehr kritisch beurteilt und angegriffen wurde, nahm Hültl das neue Instrument, probierte es an seinem neuen ledernen Brillen-Etui aus, das durch den Petz-Apparat vortrefflich geklammert wurde. Hültl  proklamierte kurz, aber deutlich: "Das hier ist besser !"

Danach stellte Hültl die Produktion seines Instrumentes ein.

Die linearen Stapler, die heute verwendet werden, hatten ihre Vorläufer – wie überhaupt alle modernen Klammernahtinstrumente – in russischen Produkten. Ein großer Nachteil stellte allerdings bei allen Nahtapparaten die Notwendigkeit des manuelle Befüllens des Apparates dar, welchens bis zu 8 Minuten dauerte. Um dieses Problem zu beseitigen, hatte der Chirurg Neuffer die Idee der auswechselbaren Klammereinsätze entwickelt, welche durch den Ulmer Instrumentenmacher Ulrich umgesetzt wurde. 1934 entstand der Ulrich’sche Apparat, auch Friedrich-Apparat genannt. Dieser war das erste Instrument mit Ersatzmagazinen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde am "Scientific Research Institute for Experimental Surgical Apparatus" in Moskau intensiv an der Weiterentwicklung der Nähapparate gearbeitet. 1950 wurde das erste Instrument, der russische "end-to-end vascular anastomotic stapler" (AST) vorgestellt. Eine Reihe weiterer Entwicklungsstufen folgten. Der UKL Stapler als Vorläufer des später entstandenen TA-Stapler (thorako-abdominal Stapler) setzte eine doppelt versetzte Reihe von Klammern und wurde am Magen-Darm-Trakt und der Lunge eingesetzt. Diese Instrumente, zusammen mit dem ersten Gefäßstapler, stammen aus der Arbeitsgruppe von F. Gudov, P. Androsov , A. Strekopyto (1950 – 1970).

Mit dem NzhKA Stapler konnten Seit-zu-Seit-Anastomosen im Gastrointestinaltrakt hergestellt werden. Er war vergleichbar dem heutigen GIA-Stapler (gastrointestinalen Stapler). Die Vorläufer zum heutigen EEA Stapler (End-zu-End-Anastomosen Stapler) waren der KT oder auch der PKS und SPTU, die zwischen 1961 und 1963 entwickelt wurden und für End-zu-End-Anastomosen genutzt wurden. Das sogenannte „Krokodil“(UKZh), wurde als Gerät zum Verschluss des Magens entwickelt.

Die modernen Klammernahtinstrumente, die ab 1970 auf den Markt kamen, sind mit den Namen Leon Hirsch, Marc Ravitch und Félicien Steichen verknüpft. Marc Ravitch war Chefarzt in Pittsburgh, Steichen war sein Oberarzt, der später Chefarzt in New York wurde. In den USA hatte Ravitch bereits früh sein Interesse an Staplern zum chirurgischen Einsatz entdeckt. 1941 arbeitete er als Resident bei Frank Lahey und war fasziniert vom Gebrauch des von Petz-Apparates. 1958 reiste er nach Russland, um bei Amrosov in Kiew den Staplereinsatz in der Pulmonalchirurgie zu studieren. Er besuchte das Scientific Research Institute for Experimental Surgical Apparatus in Moskau. Nachdem es ihm auf dem offiziellen Weg über Ministerien nicht gelang, ein Instrument zu erwerben, erfuhr er durch Zufall in einem Cafe in St. Petersburg, dass die Stapler in dieser Stadt hergestellt wurden. In einem Geschäft für chirurgische Instrumente und Apparate erstand er einen UKB-Bronchialstapler. (siehe Bericht Science Newsletter 1961)

1958 begannen Ravitch und seine Kollegen am Baltimore City Hospital in den USA die russischen Instrumente zu erlernen. 1966-1969 setzten sie ihre Arbeit an der Universität von Chicago fort. Erste Erfolge hatten sie 1967 mit einer Gastrektomie und wenig später mit einer Lobektomie der Lunge. 1968 wurde eine End-zu-End-Anastomose am Darm mit einem GIA-Stapler erfolgreich operiert.

Das Klammermaterial bei den alten ungarischen Instrumenten sowie den Nachfolgeinstrumenten aus Japan bestand aus Neusilber, die russischen Instrumente waren zunächst mit Tantalklammern versehen, die amerikanischen Instrumente bis Mitte der 90er Jahre benutzten Edelstahl. Die heutigen Instrumente sind mit Titanklammern bestückt.

 

 

Hümer Hültl

1886-1940

Hümer Hültl-Biographie im ungarischen Wisenschafts-Almanach (ungarisch)

Hümer-Hültl-Biographie in der ungarischen Wikipedia

 

Hültl-Apparat

im Semmelweis-Museum in Budapest

Hültl-Apparat

(Replik, Sammlung K. Peitgen)

 

Aladar von Petz  (1888-1956)  

Aladar von Petz Biographie -ungarische Wikipedia

PETZ-Apparat

 

 

 

Marc Ravitch (1910-1989)

 

 

Die United States Surgical Corporation (USSC), Norwalk, Connecticut, war die erste Firma, die die Stapler in den USA kommerziell herstellte. Die Firma wurde 1964 von Leon Hirsch, einem Produzenten von Wäschetrockenmaschinen, gegründet. Als wichtigste Neuerung wurden die beweglichen Kleinteile in ein  auswechselbares Klammermagazin integriert, so dass das noch stählerne Basisinstrument robuster und relativ einfacher zu handhaben war als seine Vormodelle. Die entwickelten amerikanischen Instrumente waren gegenüber den russischen Instrumenten besser ausbalanciert, leichter und einfacher zu handhaben und auch die Reinigung war besser durchzuführen. Es wurden wieder aufladbare, sterilisierbare und farbkodierte Magazine zur besseren Unterscheidung der Größen und Längen entwickelt. Auch zur Vermaktung beschritt Hirsch neue Wege: Am Ende des Vietnamkrieges waren viele ehemalige Militär-Sanitäter ohne Arbeit. Hirsch stellte einige von Ihnen als medizinische Handelsverteter ein, nachdem er Sie durch ein spezielles Training sachkundig gemacht hatte, ein zu dieser Zeit ein- und erstmaliger Vorgang. So gelang es aber, die Stapler schnell und nachhaltig populär zu machen.

1967 brachte die United States Surgical Corp (USSC) den TA-Stapler in den drei Größen 30, 55 und 90 mm auf den Markt, circuläre Instrumente folgten. Als Garagenfirma gegründet, überstieg der Jahresumsatz von USSC 1992 erstmals 1 Milliarde Dollar.

Der 3M-Konzern in der Mitte der 70-er Jahre und 1977 die Johnson&Johnson-Tochtergesellschaft Ethicon  traten mit eigenen Entwicklungen auf den Markt. Einmalgeräte wurden langsam, aber sicher zum Standard.

In den 80-er Jahren begann der eigentliche Siegeszug der Klammernahttechnologie, welche ab der Mitte der 80-er Jahre auch erheblich die Entwicklung der Minimal Invasiven Chirurgie beeinflussten und förderten, besondere Stapler speziell für die Anwendung durch Trokare hindurch wurden enwickelt.

Das dritte Jahrtausend ist gekennzeichet durch eine fortschreitende Globalisierung mit der Entstehung neuer Produktionsfirmen in China, Taiwan und Honkong. Stapler-Entwicklungen mit motorisierten Auslösevorgängen und Spezialstapler für die robotische Chirurgie finden zunehmend Eingang in die Praxis.

 

 

 

 

 

Leon Hirsch

 

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